Die Veränderung der Landesbasisfallwerte (LBFW) war bisher und wird zukünftig grundsätzlich nach oben begrenzt sein. Mit dem Inkrafttreten des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes (KHRG) wurde 2009 allerdings der Anfang vom Ende der Grundlohnorientierung der Preise für Krankenhausleistungen eingeläutet.
Gemäß § 10 Absatz 6 KHEntgG wurde das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) dazu aufgefordert, einen Auftrag an das Statistische Bundesamt zur Ermittlung eines Orientierungswertes für Krankenhäuser zur besseren Abbildung von Kostenstrukturen und -entwicklungen der Krankenhäuser zu geben. Ziel der Ermittlung dieses Orientierungswertes war die Ablösung der langjährig im Krankenhausbereich zur Festlegung der Obergrenze der Landesbasisfallwerte (LBFW) geltenden und sich an den Beitragseinnahmen der GKV orientierenden Veränderungsrate. Die Systematik für die Ermittlung des künftigen Wertes war bis Ende 2009 vom Statistischen Bundesamt zu erarbeiten. Der Orientierungswert sollte erstmals zum 30.06.2010 ermittelt werden. Zudem sollte ursprünglich gemäß der Regelung des KHRG der für die Obergrenzenermittlung entscheidende Anteil am Orientierungswert nach Anhörung der Bundesländer durch das BMG bestimmt werden (sog. Veränderungswert). Das BMG sollte auch das Jahr festlegen, in dem die bisherige Veränderungsrate abgelöst werden sollte.
Mit dem Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (PsychEntgG) ist zum 01.08.2012 eine erste Anpassung zum Orientierungs- bzw. Veränderungswert in Kraft getreten. Der Orientierungswert sollte erstmals, spätestens zum 30.09.2012 vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht werden und ab dem Jahr 2013 die Grundlohnrate (Veränderungsrate nach § 71 Absatz 3 SGB V) als Obergrenze für die Landesbasisfallwerte ablösen.
Abweichend von den bisherigen Regelungen (Festsetzung des Veränderungswertes durch das BMG) sollen die Vertragsparteien auf Bundesebene nun den Veränderungswert bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres vereinbaren. Der Verhandlungskorridor für den Veränderungswert sieht die Grundlohnrate als neue Untergrenze des Korridors in den Fällen vor, in denen der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Orientierungswert oberhalb der Grundlohnrate liegt. Die Grundlohnrate plus ein Drittel der Differenz von Orientierungswert und Grundlohnrate stellt die Verhandlungs- bzw. Korridorobergrenze dar. Liegt der Orientierungswert unterhalb der Grundlohnrate, so entfällt die Verhandlung und der Veränderungswert entspricht dem Orientierungswert.
Mit dem Beitragsschuldengesetz gab es zum 01.08.2013 eine erneute Anpassung der gesetzlichen Regelung zum Orientierungswert. Im Rahmen der Anpassung der gesetzlichen Vorschrift wurde die Ablösung der Grundlohnrate teilweise rückgängig gemacht. Sollte die Grundlohnrate in Zukunft höher sein als der Orientierungswert, wird der Veränderungswert im Krankenhausbereich der Grundlohnrate entsprechen (und nicht wie in 2013 dem niedrigeren Orientierungswert). Diese sachlich nicht nachvollziehbare „Meistbegünstigungsklausel“ geht einseitig zu Lasten der Kostenträger. Darüber hinaus wurde für den Fall, dass der Orientierungswert oberhalb der Grundlohnrate liegt, für die Jahre 2014 und 2015 der Verhandlungskorridor auf die vollständige Differenz zwischen Grundlohnrate und Orientierungswert ausgedehnt.
Darüber hinaus wurde mit dem Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) zum 01.01.2016 der Auftrag an das Statistische Bundesamt konkretisiert, den Orientierungswert für Krankenhäuser noch sachgerechter zu ermitteln. Der Orientierungswert soll demnach künftig die „tatsächlichen“ Kostenentwicklungen der Krankenhäuser abbilden und nicht nur „besser als die Veränderungsrate“ sein.
Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) vom 11.12.2018 wurde durch die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen ab dem Jahr 2020 eine Entscheidung getroffen, die auch für die Ermittlung des Orientierungswertes Folgen hatte. Nach § 10 Absatz 6 KHEntgG darf der Orientierungswert seit dem Jahr 2020 keine Kostenentwicklung des Pflegepersonals in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen beinhalten. Andernfalls kommt es zu einer Doppelfinanzierung von Pflegepersonalkosten. 2020 waren allerdings im Teilorientierungswert für Personalkosten die Veränderungen der Verdienste des Pflegepersonals der Krankenhäuser weiterhin enthalten. Das Statistische Bundesamt war damit der Umsetzung des gesetzlichen Auftrages nicht nachgekommen. Eine Korrektur der Berechnungsmethodik für den Orientierungswert war aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes dringend geboten.
Im Rahmen eines mehrstufigen Vorgehens zur Weiterentwicklung des Orientierungswertes für Krankenhäuser wurde im September 2021 für den Orientierungswertes 2022 ergänzend zum bisherigen Verfahren eine Gewichtung der Teilorientierungswerte ohne die Kosten des Pflegepersonals in allgemeinen Krankenhäusern zur Verfügung gestellt.
Ab dem Jahr 2022 bzw. dem Orientierungswert 2023 erfolgte die Ausweisung des Orientierungswertes ohne die Kosten des Pflegepersonals; lediglich nachrichtlich wird noch der ursprüngliche Wert inklusive der Veränderungen der Pflegepersonalkosten ausgewiesen.
Mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) wurde Ende 2024 eine wesentliche Änderung der Regelungen zur Vereinbarung des Veränderungswertes eingeführt. Ab dem Jahr 2025 wird die bislang geltende anteilige Orientierungswertregelung durch die Anwendung des vollen Orientierungswertes ersetzt werden. In dem Fall, dass der Orientierungswert oberhalb der Veränderungsrate liegt, ist nun der Verhandlungskorridor nicht mehr gesetzlich auf maximal ein Drittel der Differenz zwischen Orientierungswert und Grundlohnrate beschränkt. Ab 2025 ist der volle Orientierungswert für die Verhandlung zu Grunde zu legen. Bei der Vereinbarung des Veränderungswertes sind bereits anderweitig finanzierte Kostensteigerungen zu berücksichtigen.
Orientierungswert/Veränderungswert – Kritik an der Regelung
Mit den bestehenden Regelungen zur Weiterentwicklung der Landesbasisfallwerte verliert die Einnahmeseite der GKV zunehmend an Relevanz. So ist es in den vergangenen Jahren zu deutlichen Ausgabensteigerungen im Krankenhausbereich gekommen, die die Beitragszahler verstärkt belasten. Die Höhe des Veränderungswertes spielt hierbei eine entscheidende Rolle.
Die Ende 2024 eingeführten Anpassungen der Vereinbarungen zum Veränderungswert wird diese Situation weiter verschärfen. Dadurch kommt es künftig zu einer weiteren unnötigen Ausschüttung von Mitteln an alle Krankenhäuser über eine Landesbasisfallwerterhöhung („Gießkanne“). Die Streichung der Ein-Drittel-Korridorlösung und die damit verbundene Einführung des vollen Orientierungswertes bergen hohe finanzielle Risiken für die GKV. Wäre diese Regelung bereits in 2024 zur Anwendung gekommen, hätte die Ausdehnung des Verhandlungskorridors zum Veränderungswert auf die volle Differenz zwischen Orientierungswert und Grundlohnrate eine basiswirksame Mehrbelastung für die GKV bedeutet. Statt der bislang schon deutlichen Landesbasisfallwertsteigerung in Höhe von + 5,13 %, welche für die GKV Mehrausgaben in Höhe von + 3,2 Mrd. Euro bedeutet, wären Kostensteigerungen in Höhe von + 6,95 %, d. h. + 4,4 Mrd. Euro alleine für die GKV, zu verbuchen gewesen. Die Differenz, d. h. + 1,2 Mrd. Euro, wären also die zusätzlichen Mehrausgaben auf Basis dieser Regelung gewesen. Auch in den kommenden Jahren kann diese Maßnahme folglich zu Mehrbelastungen in Milliardenhöhe führen.
Ein weiterer Aspekt ist die notwendige Streichung der Meistbegünstigungsklausel. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Vergütungssystematik sollte endlich die sogenannte Meistbegünstigungsklausel (Geltung der Grundlohnrate als Obergrenze, wenn diese höher als der Orientierungswert ist) abgeschafft werden. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der dadurch in den Jahren 2014 bis 2020 verursachten unbegründeten Mehrausgaben vollkommen unverständlich. Allein in 2020 hat die Anwendung dieser Klausel zu mehr als 400 Mio. Euro basiserhöhenden Mehrausgaben geführt. Die Meistbegünstigungsklausel ist fachlich nicht begründet und eine Streichung mehr als überfällig.