In der Gesundheitspolitik besteht ein Spannungsverhältnis zwischen primär mitgliedstaatlicher Kompetenz und dem europäischen Binnenmarkt- und Wettbewerbsrecht. In diesem Spannungsverhältnis hat die Europäische Union schrittweise ihren Gestaltungsanspruch ausgedehnt. Dies wird nicht nur in Gesetzgebung und Rechtsprechung deutlich, sondern auch in der Krisenbewältigungspolitik und durch die wirtschaftspolitische Koordinierung.
Um die Wahrnehmbarkeit der Vorzüge der Prinzipien Sachleistung, Solidarität und Selbstverwaltung zu erhöhen, bringt die gesetzliche Krankenversicherung durch den GKV-Spitzenverband ihre Expertise und Positionen in die Gesetzgebungsprozesse z. B. zum Arzneimittelmarkt oder Wettbewerb ein und stärkt die Präsenz auf EU-Ebene. Gemeinsam mit der Deutschen Unfallversicherung und der Rentenversicherung Bund trägt der GKV-Spitzenverband die Deutsche Sozialversicherung Arbeitsgemeinschaft Europa (DSVAE) und die European Social Insurance Platform (ESIP), ein Zusammenschluss von nationalen Sozialversicherungsorganisationen aus ganz Europa. Im Arzneimittelbereich beteiligt sich der GKV-Spitzenverband an der Pharma-Arbeitsgruppe Medicine Evaluation Committee (MEDEV), einem Zusammenschluss von nationalen Organisationen der sozialen Krankenversicherung und nationalen für die Bewertung von Arzneimitteln zuständigen Institutionen. Dort werden Informationen und Erfahrungen über den therapeutischen Mehrwert und die Erstattungssysteme von Arzneimitteln ausgetauscht sowie versucht, Einfluss auf den Meinungs- und Gesetzgebungsprozess zu Arzneimittelthemen zu nehmen.
Austausch europäischer Krankenversicherungsorganisationen
Die nationalen Reformagenden halten vielfältige Themen für einen Austausch der Krankenversicherungsorganisationen in Europa bereit. Fragen der Umstrukturierung im Krankenhaussektor stellen sich in Kroatien ebenso wie in Deutschland. Auch die Herausforderungen bei der regionalen Verteilung und die Tendenz zur Spezialisierung von Ärzten in Frankreich sind dem GKV-Spitzenverband nicht fremd.
So trafen sich zum Beispiel am 25. Juni 2015 auf Einladung des GKV-Spitzenverbandes die Entscheidungsträger von Krankenversicherungsorganisationen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Österreich und Kroatien. Im Mittelpunkt der Beratungen standen die europäische Arzneimittelpolitik und die Auswirkungen hochpreisiger Arzneimittel auf die Versorgung sowie die Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP), das sich auf Patente und Vermarktungsrechte aber auch auf die Transparenz klinischer Studien auswirken könnte. Einer der wichtigsten Gesetzgebungsprozesse der EU ist für die Krankenversicherer die Neuregelung für Medizinprodukte. Skandale um Prothesen und Brustimplantate hatten europaweit für Aufmerksamkeit gesorgt und die Notwendigkeit für neue Regeln unterstrichen.