Das Angebot für gesetzlich Versicherte in Deutschland psychotherapeutische Hilfe zu erhalten, ist im internationalen Vergleich sehr vielfältig und umfangreich. Dennoch verging – je nach Indikation – in vielen Fällen eine zu lange Zeit, bis Patienten ein therapeutisches Erstgespräch vereinbaren konnten. Dies soll sich ab dem 1. April 2017 ändern.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat im Juni letzten Jahres eine Strukturreform der ambulanten Psychotherapie beschlossen, die die bisherige sehr gute ambulante Versorgung um zahlreiche Neuerungen ergänzt. Neben gestrafften formalen Bewilligungsschritten werden u.a. eine psychotherapeutische Sprechstunde, eine psychotherapeutische Akutbehandlung, Maßnahmen zur Rezidivprophylaxe und Veränderungen in der Gruppentherapie eingeführt. Ebenso sieht die Reform eine verbindliche telefonische Erreichbarkeit von Therapeuten sowie eine Möglichkeit zur Terminvereinbarung über die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen vor.
Johann-Magnus v. Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes: „Die psychotherapeutische Sprechstunde und die psychotherapeutische Akutbehandlung sind zwei Bausteine von etlichen, die nun das bisherige Therapieangebot der ambulanten Psychotherapie ergänzen. Wir erwarten, dass Psychotherapeuten zukünftig Sprechstunden im ausreichenden Umfang für die Patienten anbieten.“
Die psychotherapeutische Sprechstunde als niedrigschwelliges Angebot
Mit der psychotherapeutischen Sprechstunde haben Patienten ab sofort einen Anspruch auf schnelle Hilfe in Krisensituationen. Ohne Überweisung vom Hausarzt kann der Therapeut in einem ersten unkomplizierten Beratungsgespräch klären, ob eine ambulante Psychotherapie notwendig ist. Besteht kein Verdacht auf eine psychische Krankheit, kann der Patient die Krisensituation ggf. auch durch andere Hilfemöglichkeiten (Selbsthilfe-/Beratungsangebote, Schuldnerberatung) stabilisieren.
Psychotherapeutische Akutbehandlung
Ergibt sich im ersten Sprechstundengespräch die Notwendigkeit einer zeitnahen psychotherapeutischen Intervention, kann der Therapeut dem Patienten eine psychotherapeutische Akutbehandlung anbieten oder vermitteln. Dem Patienten kann so unkompliziert und kurzfristig in einer Ausnahmesituation geholfen werden; so kann verhindert werden, dass sich eine psychische Symptomatik verfestigt bzw. zu einem Langzeitleiden chronifiziert. Die psychotherapeutische Akutbehandlung erfolgt als mindestens 25-minütige Einzelbehandlung, bis zu 24-mal je Krankheitsfall. Für einen schnellen Therapiestart sorgt, dass die Akutbehandlung der Krankenkasse gegenüber lediglich anzeigepflichtig ist; sie muss nicht wie andere Richtlinientherapien eigens beantragt werden.
Bereits bisher hatten Erwachsene einen Anspruch auf bis zu 300 Einzelsitzungen Psychoanalyse (150 Doppelsitzungen in der Gruppe), bis zu 100 Einzelsitzungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie (80 Doppelsitzungen in der Gruppe) und bis zu 80 Stunden Verhaltenstherapie als Einzel- oder Gruppensitzung. Bei Kindern und Jugendlichen variiert die Sitzungsanzahl.
Telefonische Erreichbarkeit und Terminservicestellen sichern Sprechstundenplatz
Weitere Verbesserungen sieht v. Stackelberg in der Erreichbarkeit psychotherapeutischer Praxen und in der Terminvergabe durch Terminservicestellen. Ab dem 1. April 2017 müssen Psychotherapeuten zu angekündigten und veröffentlichten Zeiten bis zu 200 Minuten wöchentlich telefonisch erreichbar sein. Patienten können so einen Sprechstundentermin vereinbaren oder sich an die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen wenden. Die Terminservicestellen haben einen Termin innerhalb von vier Wochen ab dem Anfragezeitraum zu gewährleisten.
„Mit der Terminvermittlung für die psychotherapeutische Sprechstunde und die psychotherapeutische Akutbehandlung bieten die Terminservicestellen ab dem 1. April 2017 ein weiteres wichtiges Angebot an. Ich erwarte von den Psychotherapeuten, dass Patienten zukünftig wesentlich schneller einen Termin erhalten. Auch die niedergelassenen Psychotherapeuten sollten nicht vergessen, dass 90 Prozent der Patienten gesetzlich krankenversichert sind und erst durch ihre Beiträge die flächendeckende medizinische Versorgung überhaupt möglich ist.“
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