„Weil die Finanzierung derart auf Kante genäht ist, gehen wir davon aus, dass einzelne Pflegekassen im kommenden Jahr Liquiditätshilfen benötigen werden. Dafür gibt es zwar ein geregeltes Verfahren, doch es zeigt, wie stark der Reformbedarf ist“, so Oliver Blatt, Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Detschland (RND). „Und ab 2027 folgt dann der Hammer, weil die Kredite aufgebraucht sind und die weiter steigenden Ausgaben irgendwie bezahlt werden müssen. Es entsteht dann eine Finanzierungslücke, die rund 0,3 Beitragssatzpunkten entspricht. Ohne Reformen kann die Pflegeversicherung das also gar nicht leisten“, so Blatt.
Mit Blick auf die kürzlich vorgestellten Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe betonte Blatt gegenüber dem RND die Brisanz der Situation der Pflegeversicherung: „Das Ergebnis ist enttäuschend. Was die Arbeitsgruppe zusammengetragen hat, ist eine gute, aber längst bekannte Problembeschreibung. Nötig sind endlich politische Entscheidungen darüber, wie die Pflegeversicherung dauerhaft finanziert werden kann, ohne die Pflegebedürftigen finanziell zu überlasten. Ich habe den Eindruck, die Brisanz der Lage ist immer noch nicht allen Beteiligten klar.“
Beitragssatz der Krankenversicherung wird deutlich steigen
Da das jüngst beschlossene Sparpaket im Umfang von rund zwei Milliarden Euro ist viel zu klein sei, um das Defizit im kommenden Jahr zu decken, würden viele Krankenkassen gezwungen sein, ihre Beiträge anzuheben, so Blatt zum RND: „Der durchschnittliche Zusatzbeitrag wird auf mindestens 3,1 Prozent steigen.“
Mit Blick auf die politische Diskussion, wer die Verantwortung für steigende Beiträge tragen würde, erklärte Blatt im RND-Interview: „Es ist völlig unangemessen, wenn die Politik jetzt versucht den Eindruck zu erwecken, die Krankenkassen würden nicht wirtschaftlich arbeiten. Denn das ist falsch. Fakt ist: Die Ausgaben wachsen aktuell um rund acht, die Einnahmen aber nur um ca. fünf Prozent. Solche Steigerungsraten sind auf Dauer nicht finanzierbar. Und es war die Politik, die die Kassen gezwungen hat, ihre Rücklagen so stark abzubauen.
Eine Kehrtwende ist möglich
„Die Politik spricht davon, die Sozialversicherungsbeiträge zu stabilisieren. Der Anspruch muss doch aber sein, sie zu senken“, betonte Blatt. „Wenn wir es durch kluge Reformen schaffen würden, dass bei einem Einnahmeanstieg von fünf Prozent die Ausgaben nur um vier Prozent steigen, dann könnten wir bald über Beitragssenkungen sprechen.“