PRESSEMITTEILUNG - BERLIN, 14.08.2025 Mindestmengen retten Leben

GKV-Spitzenverband

Portrait von Dr. Martin Krasney, Vorstand beim GKV-Spitzenverband

Dr. Martin Krasney

Der GKV-Spitzenverband blickt mit großer Sorge auf die Klage von drei Bundesländern beim Bundesverfassungsgericht, die sich u. a. gegen die bundesweit geltenden Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Versorgung sehr kleiner Frühgeborener mit einem Geburtsgewicht von unter 1.250 Gramm richten.

Dazu Dr. Martin Krasney, Vorstandsmitglied des GKV-Spitzenverbandes: „Wir haben kein Verständnis für die Klagen. Die Mindestmengen für die Versorgung der kleinen Frühgeborenen wurden eingeführt, weil die Qualität der Leistung von der Erfahrung der Behandlerinnen und Behandler abhängt. Die Mindestmengen dienen somit dem Schutz der Frühgeborenen und sollen die qualitativ bestmögliche Versorgung sicherstellen.“

Die Versorgung von Frühgeborenen gehört in die Hände von erfahrenem Personal in spezialisierten Zentren. Es ist entscheidend, dass klinische Anzeichen für schwerwiegende Komplikationen frühzeitig erkannt und dann die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet werden. Das gelingt nur bei einschlägiger Erfahrung des gesamten Teams. Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.250 Gramm sind extrem selten. Bei solchen Frühgeburten handelt es sich grundsätzlich um planbare Ereignisse, die Mütter können mit ihren Kindern in der Regel rechtzeitig vor der Geburt zu einer geeigneten Klinik gebracht werden. An einem Standort mit höherer Fallzahl sind die Überlebenschancen der Kinder nachgewiesenermaßen deutlich höher und das Risiko für lebenslange gesundheitliche Schäden geringer.

Lösungsansätze in Baden-Württemberg

Dass dies auch in Deutschland erfolgreich umgesetzt werden kann, zeigt das Beispiel der Arbeitsgemeinschaft Neonatologie (ARGE) in Ulm. Sehr kleine Frühgeborene werden von den im Verbund teilnehmenden Perinatalzentren nicht mehr selbst versorgt, die Schwangeren werden bereits vor der Entbindung an den zentralen Standort in Ulm überwiesen. Sobald die Kinder keinen kritischen Gewichtsbereich mehr haben und medizinisch stabilisiert sind, werden sie an die kooperierenden Standorte verlegt.

Bereits im Oktober 2023 haben sich sieben Professoren und Klinikchefs der größten Perinatalzentren Baden-Württembergs mit einem Brief an den baden-württembergischen Gesundheitsminister gewandt um ihn eindringlich darum zu bitten, die neue Mindestmenge für sehr kleine Frühgeborene zum Schutz dieser vulnerablen Gruppe auch in seinem Bundesland umzusetzen und dabei insbesondere das Ulmer Konzept auch in anderen Regionen zu etablieren.

Hintergrund

Mindestmengen zur Qualitätssicherung dienen der Patientensicherheit. Grundgedanke ist, dass mit der Behandlung einer größeren Zahl von Fällen die Qualität der Behandlung steigt. Bei bestimmten risikoreichen, komplexen und seltenen Behandlungen sowie Eingriffen hängt das Ergebnis maßgeblich von der Erfahrung ab. Deswegen hat der Gesetzgeber den G-BA verpflichtet, einen Katalog planbarer Leistungen zu erstellen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist (Fallzahl-Ergebnis-Zusammenhang). Hierzu zählen z. B. die Versorgung von Frühgeborenen, die allogene Stammzelltransplantation und Operationen bei Brust- und anderen Krebserkrankungen. Um den Fallzahl-Ergebnis-Zusammenhang zu ermitteln, führt der G-BA umfangreiche Literaturrecherchen und Sachstandsermittlungen durch. Nur zu planbaren Leistungen können Mindestmengen festgelegt werden. Die Notfallversorgung ist davon nicht betroffen.

2022 wurden in Deutschland rund 740.000 Babys geboren. Nur ca. 0,6 Prozent aller Neugeborenen wogen unter 1.250 Gramm. 2024 wurde die Mindestmenge „Extrem-Frühchen“ von 14 Geburten im Jahr pro Standort auf 25 angehoben. Die Mehrheit der Eltern ist laut Umfragen bereit, weitere Anfahrtswege in Kauf zu nehmen, wenn sich damit die Chance erhöht, dass ihr Kind ohne Komplikationen und ohne Behinderung überlebt.