PRESSEMITTEILUNG - BERLIN, 11.05.2010 Ärztliches Angebot am Bedarf von Patientinnen und Patienten orientieren

GKV-Spitzenverband

Die Debatte über die ausreichende Anzahl von Landärzten weist auf grundsätzliche Fragen der guten ambulanten Versorgung hin. Das Positionspapier des GKV-Spitzenverbandes fasst die wesentlichen Fragen zusammen und zeigt Lösungsmöglichkeiten auf. Dazu erklärt dessen stellvertretender Vorstandsvorsitzender Johann-Magnus v. Stackelberg:

„Wir haben in Deutschland ausreichend viele Ärzte, um alle hier lebenden Menschen gut zu versorgen. Es gibt insgesamt keinen Ärztemangel. Wir haben viele Regionen, in denen es eine teure und unnötige Überversorgung gerade mit spezialisierten Fachärzten gibt und gleichzeitig einige wenige Regionen, in denen mehr Hausärzte gut für die ambulante medizinische Versorgung wären. Um die vorhandene Überversorgung abzubauen und Unterversorgung nicht aufkommen zu lassen, muss die traditionelle Trennung zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Fachärzten überwunden werden. Deshalb schlagen wir ein Konzept vor, bei dem die Versorgungsbedürfnisse der Patienten in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt werden und nicht in erster Linie die Vorstellungen von Ärzten und Krankenhäusern. Entscheidend ist, dass die Patientinnen und Patienten Zugang zu allen Leistungen haben, die medizinisch notwendig sind. Gleichzeitig müssen die Leistungen wirtschaftlich erbracht werden, um die Finanzierung unseres insgesamt sehr guten Gesundheitssystems auch in Zukunft sicherstellen zu können. Um dies zu erreichen, wollen wir die ärztliche Primärversorgung stärken, die allgemeine fachärztliche Versorgung flexibilisieren und die spezialisierte fachärztliche Versorgung bündeln.“

Kernpunkte des Konzeptes zur Modernisierung der ambulanten Versorgung

Die ärztliche Primärversorgung muss gestärkt werden. Die Haus-, Kinder- und Frauenärzte sind die ersten Ansprechpartner der Patientinnen und Patienten in Gesundheitsfragen, sie müssen daher überall wohnortnah und schnell erreichbar sein. Um die gegenwärtige Situation noch zu verbessern, sind folgende Schritte erforderlich:

  • Einbeziehung regionalspezifischer Bedarfsanalysen
  • Verbesserung der Möglichkeiten von Teilzeitarbeit und der gleichzeitigen Tätigkeit in der ambulanten und stationären Versorgung
  • Berücksichtigung der tatsächlichen Erreichbarkeit von Ärzten und Gesundheitseinrichtungen bei der Bedarfsplanung
  • Stärkere Einbeziehung auch nichtärztlicher Leistungserbringer, wie z. B. Arzthelfer/innen oder Gemeindeschwestern, in die Versorgung

In der allgemeinen fachärztlichen Versorgung (z. B. durch Orthopäden, Augenärzte, Internisten) soll die Leistungserbringung in der Regel auch künftig durch niedergelassene Ärzte erfolgen. Allerdings kann hier das Versorgungsnetz weitergespannt werden. Konkret heißt dies:

  • Einbeziehung ambulanter Versorgungsmöglichkeiten durch Krankenhäuser in die Bedarfsplanung.
  • Herauslösung spezialisierter fachärztlicher Versorgungsbereiche aus der allgemeinen fachärztlichen Bedarfsplanung. Ein in der allgemeinen fachärztlichen Versorgung tätiger Arzt darf sein Leistungsangebot künftig nicht mehr ohne weiteres einschränken, indem er z. B. nur noch spezielle Operationen durchführt.
  • Überwindung der starren Grenzen bisheriger Planungsbereiche bei der Bewertung der Versorgungssituation.

In der spezialisierten fachärztlichen Versorgung (z. B. ambulante Herzkatheteruntersuchungen durch Kardiologen oder Operationen des grauen Stars [Katarakt] durch Augenärzte) ist es sinnvoll, ein hochwertiges Angebot aller medizinischen Spezialdisziplinen durch die Bündelung fachärztlicher Kompetenz in Zentren, Krankenhäusern und kooperierenden Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Spezialisiert sich ein Augenarzt heute z. B. ausschließlich auf Kataraktoperationen, dann wird er nach den Vorgaben der Bedarfsplanung dennoch als Augenarzt gezählt, obwohl er sich tatsächlich nicht um allgemeine Augenprobleme kümmert. Im Ergebnis kann es sein, dass die Menschen auf dem Papier gut versorgt sind, die allgemeine augenärztliche Versorgung tatsächlich jedoch nicht in ausreichendem Maße sichergestellt ist. Um derartige Konstellationen zu verhindern, müssen die allgemeine fachärztliche Versorgung und die spezialisierte fachärztliche Versorgung differenziert betrachtet werden. Daraus folgt:

  • Für die spezialisierte fachärztliche Versorgung ist die Einzelpraxis nicht mehr unbedingt das Organisationsmodell der Wahl.
  • Im Interesse einer qualitativ hochwertigen, wirtschaftlichen Versorgung ist es sinnvoll, die Kompetenz der medizinischen Spezialdisziplinen in Zentren, Krankenhäusern oder kooperierenden Einrichtungen zu konzentrieren.
  • Die „doppelte Facharztschiene“, also das parallele Angebot an spezialisierten Fachärzten und Millionen Euro teuren Großgeräten in der ambulanten wie in der stationären Versorgung ist für eine gute medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten unnötig und teuer.
  • Notwendig ist eine enge Kooperation ambulanter und stationärer Einrichtungen.
  • Die Bedarfsplanung muss für diesen Bereich sektorübergreifend und regionalspezifisch auf der Ebene größerer Planungsregionen erfolgen.

Weitere Kernpunkte sind:

  • Die Bedarfsplanung muss an die demografische Entwicklung angepasst werden, z. B. braucht man in Regionen in denen viele ältere Menschen leben ggf. mehr Hausärzte mit geriatrischer Ausbildung und weniger Kinderärzte.
  • Die Basis der Bedarfsplanung waren die realen Gegebenheiten Anfang der 90er Jahre. Diese gilt es grundsätzlich zu überprüfen.
  • Insgesamt fehlen ca. 800 Ärzte zur Vollversorgung. Durch flexible Anreizsysteme und intelligente organisatorische Maßnahmen (z. B. Vergütungszuschläge, Weiterbildungsförderung, Anstellung von Ärzten durch kassenärztliche Vereinigungen) könnten diese Lücken geschlossen werden.
  • Die Überversorgung muss abgebaut werden. In den überversorgten Gebieten sind ca. 25.000 Ärzte mehr zugelassen, als für die Versorgung benötigt werden. Überversorgung kostet die Beitragszahler rund fünf Mrd. Euro pro Jahr allein für ärztliches Honorar.
  • In all den Regionen, in denen die Versorgung heute nicht optimal ist, sollen Gesundheitszentren eingerichtet werden, in denen wechselnde Sprechstunden von Fachärzten abgehalten werden. Unterstützt werden die behandelnden Ärzte von nichtärztlichen Leistungserbringern wie z.B. Gemeindeschwestern und durch Telemedizin.

„Es ist eine der großen gemeinsamen Herausforderungen von Gesundheitspolitikern, Ärzten und Krankenkassen dafür zu sorgen, dass auch künftig in allen Regionen Deutschlands genügend Ärzte für die bedarfsgerechte Versorgung der Patientinnen und Patienten vorhanden sind“, so v. Stackelberg.

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