Auf seiner heutigen Sitzung hat der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes die folgende Erklärung verabschiedet:
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die soziale Pflegeversicherung (SPV) befinden sich aktuell in einer historisch schwierigen Finanzsituation. Zusammengenommen erwartet die Beitragszahlenden in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ein durchschnittlicher Beitragsanstieg von einem Prozentpunkt. Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes fordert die politischen Akteure auf, alle Anstrengungen auf die finanzielle Stabilisierung der für eine gesundheitliche und pflegerische Versorgung von Patientinnen und Patienten wichtigen sozialen Sicherung zu richten. Die zur nächsten Bundestagswahl antretenden Parteien sollten sich der schwierigen Lage - schon bei der Erstellung ihrer Wahlprogramme und später bei der Aushandlung des Koalitionsvertrages - bewusst sein. Dies ist nicht die Zeit für teure Wahlversprechen und große Leistungsausweitungen und ebenso wenig für Leistungseinschränkungen. In der neuen Legislaturperiode müssen die notwendigen grundlegenden Strukturreformen sofort angegangen werden.
Finanzen von GKV zeitnah stabilisieren
Zentrales Ziel muss es sein, die Beitragsspirale zu durchbrechen. Dazu gehört, dass Bund und Länder ihrer Finanzierungsverantwortung nachkommen. Die Umsetzung der im letzten Koalitionsvertrag vereinbarten kostendeckenden Beiträge für Bürgergeld-Beziehende und die Dynamisierung des Bundeszuschusses bleiben unerlässlich, um eine verantwortungsgerechte Finanzierung staatlicher Aufgaben sicherzustellen. Der Bund muss seiner Finanzierungsverantwortung nachkommen und darf diese nicht auf die Beitragszahlenden abwälzen. Darüber hinaus muss der Gesetzgeber in der neuen Legislaturperiode zeitnah dafür sorgen, dass die Finanzierung der Transformation der Krankenhauslandschaft aufgabenadäquat aus Steuermitteln von Bund und Ländern und nicht aus Beitragsmitteln erfolgt. Die Länder müssen ihrer Verpflichtung zur Zahlung der Investitionskosten vollständig nachkommen. Des Weiteren sollte kurzfristig geregelt werden, dass für zulasten der GKV abgegebene Arzneimittel künftig der reduzierte Mehrwertsteuersatz angewendet wird. Damit wird die Ungleichbehandlung gegenüber anderen lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen, für die der reduzierte Mehrwertsteuersatz bereits gilt, endlich beendet.
Nachhaltige Reform der Pflegeversicherung notwendig
Für die Pflegeversicherung hat der Bund aktuell eine Beitragssatzanhebung um 0,2 Prozentpunkte auf den Weg gebracht. Diese ist als Notfallmaßnahme zur Liquiditätssicherung unbedingt erforderlich – allerdings reicht sie nicht aus, um die Liquidität des Ausgleichsfonds für das Jahr 2025 sicherzustellen. Sie löst auch nicht das grundsätzliche Finanzierungsproblem der Pflege. Notwendig bleibt eine umfassende Pflegereform nach dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität. Voraussetzung dafür ist, dass Bund und Länder ihrer Aufgabe zur Finanzierung versicherungsfremder Leistungen nachkommen. Dies sind zum einen die pandemiebedingten Sonderausgaben aus Coronazeiten und zum anderen die Ausgaben für Sozialversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige. Um das Grundvertrauen in die Leistungsfähigkeit der sozialen Pflegeversicherung zu erhalten, muss die nächste Bundesregierung dringend handeln und eine nachhaltige Pflegereform angehen!
Versorgungsstrukturen bedarfsgerecht weiterentwickeln
Mit dem Aus der Ampel-Koalition und den anstehenden Neuwahlen werden viele wichtige Strukturreformen im Gesundheitswesen in die nächste Legislaturperiode verschoben. Dringlich bleibt weiterhin eine Reform der Notfallversorgung. Ein im Bedarfsfall zeitnaher Zugang zur Akutversorgung gehört für Patientinnen und Patienten zu den prioritären Handlungsbedarfen. Im Zuge der Umsetzung der vor dem Inkrafttreten stehenden Krankenhausreform muss eine bedarfsgerecht, qualitäts- und zukunftsorientiert ausgestaltete Versorgung an erster Stelle stehen. Eine ungesteuerte Finanzierung ineffizienter Krankenhausstrukturen muss der Vergangenheit angehören. Ähnliches gilt auch für die ambulante ärztliche Versorgung. Was wir brauchen, sind insbesondere ein bedarfsgerechter Zugang durch transparente Terminkapazitäten sowie eine stärker interdisziplinär und interprofessionell koordinierte Patientenversorgung.
Die gesetzliche Krankenversicherung und soziale Pflegeversicherung müssen zukunftsfest gemacht werden. Es gilt jetzt keine Zeit zu verlieren. Eine weitere Legislaturperiode ohne nennenswerte strukturelle Maßnahmen können sich das Gesundheitswesen und die Pflege nicht leisten. Die Politik muss dabei die Erfahrung und Expertise der sozialen und gemeinsamen Selbstverwaltung einbeziehen.