PRESSEMITTEILUNG - BERLIN, 01.12.2023 Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin: Neue Lösungen gefragt

GKV-Spitzenverband

Portrait von Frau Dr. Doris Pfeiffer, der Vorstandsvorsitzenden des GKV-Spitzenverbandes.

Dr. Doris Pfeiffer

Bereits seit 1999 fördern Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen finanziell die Weiterbildung Allgemeinmedizin. Das Ziel: Anreize für eine ausreichende Zahl von Weiterbildungsstellen in Kliniken und Vertragsarztpraxen schaffen, junge Ärztinnen und Ärzte stärker zu einer allgemeinmedizinischen Weiterbildung motivieren und dadurch den Anteil der Allgemeinmedizin in der vertragsärztlichen Versorgung erhöhen. Allerdings wird immer deutlicher: Trotz der erheblichen Fördermittel und der steigenden Anzahl geförderter Stellen erreicht das Programm dieses Ziel nicht im wünschenswerten Umfang. Die Zahl der Hausärztinnen und -ärzte in der vertragsärztlichen Versorgung steigt allenfalls marginal und bei Weitem nicht in einer Größenordnung, die den wachsenden Bedarf decken könnte. Der GKV-Spitzenverband fordert daher, dass alle Beteiligten gemeinsam nach neuen Lösungen suchen, um die Situation bei der hausärztlichen Versorgung tatsächlich zu verbessern.

Schon seit Jahrzehnten zeichnet sich ab, dass sich immer mehr Ärztinnen und Ärzte für eine spezialfachärztliche Weiterbildung und Berufsausübung entscheiden. Mit den gesetzlichen Regelungen zur Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin Ende der 1990er-Jahre sollten vor diesem Hintergrund das Fachgebiet Allgemeinmedizin aufgewertet und Anreize zur Weiterbildung geschaffen werden, um den Anteil dieser Fachgruppe innerhalb der Ärzteschaft zu erhöhen. Wie sieht die Bilanz 25 Jahre später aus?

Trotz Förderprogramm: Anteil Hausärzte tendenziell fallend

Seit Beginn des Förderprogramms sind die Ausgaben für die Gehaltszuschüsse in der Weiterbildung kontinuierlich gestiegen. Allein im Jahr 2021 wurden knapp 300 Mio. Euro in die Stellenförderung in der vertragsärztlichen Weiterbildung Allgemeinmedizin investiert, hinzu kommen 85 Mio. Euro für die Weiterbildung in anderen Fächern sowie 24 Mio. Euro für die Stellenförderung in Krankenhäusern. Rund die Hälfte der Gesamtausgaben entfällt direkt auf die gesetzliche Krankenversicherung. Angesichts des stetigen Anstiegs der Fördersummen dürfte bereits in naher Zukunft eine halbe Milliarde Euro jährlich dauerhaft überschritten werden. Die Zahl an allgemeinmedizinischen Weiterbildungsabschlüssen ist laut Ärztestatistik der Bundesärztekammer zwischen 1998 und 2022 zwar von ca. 1.700 auf ca. 1.900 gestiegen, die Zahl der anderen Facharztabschlüsse aber deutlich stärker von ca. 9.000 auf ca. 12.200. Der Anteil von Abschlüssen in der Allgemeinmedizin ist dadurch von rund 16 auf rund 13 Prozent gesunken. Ebenfalls zurückgegangen ist der Anteil von hausärztlich Tätigen in der vertragsärztlichen Versorgung. Die Ärztestatistik der Bundesärztekammer weist für das Jahr 1998 einen Anteil von knapp 41 Prozent aus (Allgemeinärztinnen und -ärzte/Praktische Ärztinnen und Ärzte), 2022 waren es nach den statistischen Informationen aus dem Bundesarztregister nur noch rund 36 Prozent.

„Die Ergebnisse nach einem Vierteljahrhundert der Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin bedeuten für uns ganz eindeutig, dass es ein ‚Weiter so‘ nicht geben kann. Allein durch den Einsatz von immer mehr Fördermitteln, die von den Beitragszahlenden finanziert werden, kann das eigentliche Ziel – genügend Nachwuchs für Hausarztpraxen – ganz offensichtlich nicht erreicht werden“, so Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes.

Gutachten zeigt: Länder mit zentralen Steuerungsinstrumenten erfolgreicher

Um Lösungsansätze für dieses Problem zu finden, hat der GKV-Spitzenverband beim IGES Institut ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Ausbildung von Hausärztinnen und Hausärzten sowie die Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin im internationalen Vergleich untersucht. Geklärt werden sollte, welche Strukturen und Förderkonzepte andere europäische Länder verfolgen, in denen der Anteil von Hausärztinnen und Hausärzten an der gesamten Ärzteschaft höher ist als in Deutschland. Ein wichtiges Ergebnis dieses Gutachtens: Länder mit starken, langfristig ausgerichteten gesundheitspolitischen Steuerungsinstrumenten sind erfolgreicher bei der Aufgabe, die für die Versorgung der Bevölkerung erforderliche Zahl von Allgemeinärztinnen und -ärzten weiterzubilden. Dazu gehört zum Beispiel die bereits im Studium viel stärkere Betonung der Allgemeinmedizin, die Verankerung der Weiterbildung an allgemeinmedizinischen Instituten wie in Belgien und den Niederlanden oder die auf langfristigen Prognosen basierende Festlegung der Anzahl von Weiterbildungsplätzen für die Allgemeinmedizin bzw. die übrigen Fachrichtungen wie in Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Nach Einschätzung der Gutachter werden auch in Deutschland die Zahl und der Anteil von allgemeinmedizinisch weitergebildeten Ärztinnen und Ärzten nur durch eine sehr viel stärker bedarfsorientierte Steuerung der ärztlichen Nachwuchsbildung wesentlich gesteigert werden können.

„Strukturelle Veränderungen bei der Ausgestaltung der ärztlichen Weiterbildung und bei der Kapazitätsplanung sind dringend erforderlich. Alle Beteiligten sollten nun gemeinsam ein Konzept entwickeln, wie diese aussehen könnten und müssten“, so Dr. Doris Pfeiffer weiter.

Gemeinsam nach Lösungen suchen

Zu diesem Zweck wird der GKV-Spitzenverband das IGES-Gutachten in die Lenkungsgruppe zur Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin einbringen. Dort sind auch die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Verband der Privaten Krankenversicherung vertreten. Ziel ist es, gemeinsam einen umfassenden Vorschlag zu entwickeln, der sich mit konkreten Maßnahmen an den Gesetzgeber richtet.

Hintergrundinfo: Wie funktioniert die Förderung konkret?

Vertragsarztpraxen, die eine Weiterbildungsstelle in Vollzeit anbieten, bekommen diese mit derzeit 5.400 Euro pro Monat gefördert. Aufgebracht wird die Förderung zur Hälfte von den Krankenversicherungen, wobei die gesetzliche Krankenversicherung davon 93 Prozent übernimmt, die private Krankenversicherung 7 Prozent. Die andere Hälfte der Fördersumme wird von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) getragen. In Regionen mit drohender oder bereits bestehender Unterversorgung ist eine Erhöhung des Förderbetrages um bis zu 500 Euro vorgesehen. Die Fördermittel werden von den Weiterbildenden bei der KV beantragt.

Im stationären Bereich wird ein Zuschuss zwischen 1.110 und 1.530 Euro monatlich gezahlt, der alleine von der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung finanziert wird.

Alle Förderbeträge werden regelmäßig an aktuelle Entwicklungen der Tarifgehälter angepasst.

Dokumente und Links